Fahrerprofil Margret Lingen

Margret Lingen-Zanker
Geboren am 2. Juli 1956

Rennfahrer-Laufbahn:

Im Familien-Betrieb, zu dem damals zwei Trend-Möbelhäuser in Schiefbahn gehörten, absolvierte die im Juli 1956 geborene Margret Lingen zunächst ihren Eltern zuliebe eine Schreinerlehre (später die Schreinermeisterprüfung). Während ihrer Lehrzeit hatte sie einen Arbeitsunfall, der ihre Sportkarriere um ein Haar hätte erst gar nicht beginnen lassen: Sie verlor an einer Kreissäge vier Finger der linken Hand. Nun dachte sie, dass es endgültig mit dem Motorradfahren aus sei. Im selben Jahr brachte Moto Guzzi die V35 mit Integralbremssystem auf den Markt. Da Ihre Eltern den Motorsport überhaupt nicht unterstützen wollten, besonders ihre Mutter machte sich Sorgen um ihre temperamentvolle Tochter, bekam sie keinerlei finanzielle Unterstützung. Sie trug Zeitungen aus, kaufte für ältere Leute Lebensmittel ein und hatte dann später auch Kontakt zum Messe-Service in Düsseldorf und Köln, dort bediente sie auf Messeständen. Sie wurde dabei auch ziemlich schnell in den Verkauf integriert. Schon bald hatte sie genügend Geld zusammengetragen, um sich nun endlich die V 35 kaufen zu können. Als die Maschine zuhause stand, lies sie als erstes Kupplung und Gas auf die rechte Lenkerseite verlegen und verzichtete vollständig auf die Handbremse. Später machte sie trotz massiver Proteste der Eltern das Fachabitur und absolvierte ein Studium der Innenarchitektur mit Abschluss "Dipl.Ing." und Bauvorlageberechtigung für den Innen- und Außenbereich. Ihr Slogan lautet: "Schönheit kommt von innen, gute Architektur resultiert aus einer sinnvollen Innenarchitektur, Power kommt von innen (Motor). Das Herz sitzt im Inneren, und wenn man(n)/frau Gas geben möchte, muss das Herz am rechten Fleck sitzen".

Rennstreckenerfahrung sammelte sie während dieser Zeit auf dem Nürburgring, dem Zweiradfieber verfallen wich die V35 dann einer 850er Le Mans, und so nahm die Geschichte ihren Lauf. Oft düste sie Samstags nach der Arbeit zum Nürburgring, um dort Ihre Runden zu drehen. Übernachtet hat sie dabei in Breitscheid im Schlafsack, um morgens von den ersten Motorengeräuschen geweckt zu werden. Es war damals eine spannende und aufregende Zeit. Jedes mal wenn sie meinte, einen schnellen Fahrer erblickt zu haben, egal ob in einem Porsche oder auf einem Motorrad, hing sie sich dahinter und versuchte zu erfahren, wie derjenige Gas gibt oder an welcher Stelle sie ihn überholen konnte. Dabei musste sie feststellen, dass es viele Fahrer gab, die im Start- und Zielbereich sehr viel Wert auf die Schau mit ihren Geräten legten, auf der Rennstrecke hatte Margret dann oft genug ein leichtes Spiel.

Im Jahre 1980 erhielt die damals junge Studentin die Gelegenheit, im freien Training beim damaligen Yamaha-Cup auf einer XS 400 einige Runden mitzudrehen. Sie war von diesem Test dermaßen beeindruckt, dass sie bereits am nächsten Tag eine Lizenz beantragte und sich in den Cup einschrieb. Der Erhalt der Lizenz war gar nicht so einfach, weil ihr ja die Finger fehlten: Der damalige Sportarzt übersah jedoch diesen Umstand und fragte auch nicht nach. Erst im Qualifikationsrennen wurde sie von Herrn Vetter, dem damaligen Leiter der Renn- und Marketingabteilung, darauf aufmerksam gemacht, dass sie doch ihren linken Handschuh richtig anziehen solle, weil alles so flattert. Dieser Moment war für sie einer der schlimmsten, denn sie musste nun beichten, dass ihr einige Finger fehlten. Zu diesem Zeitpunkt fuhr sie schon hervorragend im Mittelfeld mit und nach dem Einverständnis der OMK bekam sie nun endlich die offizielle Erlaubnis Rennen zu fahren. Die damaligen Worte des OMK-Verbandes waren: "Sie fahren besser als manch anderer in Ihrer Klasse, der aber noch alle 10 Finger hat!"

1981 nahm sie dann zusammen mit vier anderen Mädchen unter insgesamt 50 gleichausgerüsteten Startern am Yamaha-Cup teil. Dabei gelang es der Rheinländerin, sich für alle Läufe zu qualifizieren. Obwohl Yamaha sich von ihrer Leistung beeindruckt zeigte und ihr für 1982 wieder einen der begehrten Startplätze reservierte, nahm sie in diesem Jahr mit einer Ducati 500 Pantah in der neu ausgeschriebenen Viertakt-Klasse teil und belegte u.a. in Zolder (Belgien) den zehnten Rang als einzige Frau unter 70 Männern.

Im Januar 1983 schloss sich Margret mit Rainer Vossen und Dieter Rechtenbach zum "Trend-Möbel-Racing-Team" zusammen, um gemeinsam um den OMK-Pokal in der 500er Viertakt-Klasse zu fahren. Dafür wurden aus italienischen Spezialteilen drei identische Maschinen mit Ducati 500 Pantah-Motor und einem Rahmen ähnlich der Werks-TT aufgebaut. Betreut wurden die Motoren von Werner Kaiser, Basis bei allen drei Maschinen war der TT-Rahmen von Maltry.

In 1984 nahm Margret an den TT-Races auf der Isle of Man teil. Dabei ging sie in den Klassen der Formel 1 und der Formel 2 an den Start. Im Formel 1-Rennen (Viertakter bis 750 cc) schied sie aus, im Formel 2-Rennen (Viertakter bis 600 cc), das über vier Runden ging, belegte sie mit ihrem "600 cc-TT-Strassenmotorrad"(!) den 28. Platz. Margret war dabei die erste Frau, die den TT-Kurs mit über 150 km/h Schnitt umrundete. Sieger wurde der Australier Graeme McGregor vor Tony Rutter und Trevor Nation, beide ebenfalls auf TT-Ducatis unterwegs. Der Motorsportjournalist Alan Cathcart kam damals auf einer Laverda zwei Plätze vor Margret ins Ziel.
Im gleichen Jahr fuhr sie auch Rennen im Rahmen der Endurance-Weltmeisterschaft. Der erste Einsatz war bei den 24-Stunden von Spa (Belgien) mit einem auf 748 cc aufgebohrten Pantah-Motor von Ducati-Händler Klaus Thomé im TT-Rahmen. Mit dabei: Matthias Meyer und Jörg Thumecke. Nach Problemen mit einem zusammengeschmolzenen Kolben, einer defekten Lichtmaschine und stärker werdenden Ölverlust kam dann morgens um acht Uhr das Ende: Motorschaden. Am 2. September 1984 fand dann der 4. Lauf zur Endurance-Weltmeisterschaft am Nürburgring statt. Bei diesem 8-Stunden-Klassiker konnte sie das Rennen beenden, sie belegte gemeinsam mit Matthias Meyer den 21. Platz.

1985 fuhr sie dann im Hein-Gericke-Team auf einer Cagiva Alazzurra 750 mit TT-Fahrwerk und Ducati Pantah-Motor in der Superbike-Klasse. Die Saison verlief enttäuschend, Margret hatte dabei regelmäßig mit Fahrwerksabstimmungen und Motorschäden zu kämpfen, was ihre Motivation und ihr Fahrkönnen auf den Nullpunkt brachte. Meist reichte es der damals zumindest "Schnellsten Frau Deutschlands auf zwei Rädern" nicht mal zur Qualifikation für das Rennen. Was nutzt das beste Fahrkönnen, wenn einem die Technik immer einen Streich spielt?!
Im Laufe dieses Jahres nahm sie auch teil an einem "Grand Prix" in Malaysia. In der offenen Klasse fuhr sie zusammen mit Eddie Lawson, Randy Mamola und Co. im Pulk.

In der folgenden Zeit testete sie mehr als 6 Jahre lang zusammen mit Joachim Stuck, Prinz Leopold von Bayern, Rauno Altonon, Prof. Bernt Spiegel, Toni Mang, Martin Wimmer und Reinhold Roth die verschiedensten Motorräder für das "Goldene Lenkrad". Die zu dieser Zeit auf dem Markt befindlichen Motorräder sollten dabei von einer Jury getestet werden.
Über 10 Jahre war sie Instruktorin für die "Motorradpresse Stuttgart" und zeigte dabei so manchem Teilnehmer aus dem In- und Ausland, wie man auf oder in der "grünen Hölle" auf dem Nürburgring Gas gibt, oder auch vernünftigerweise abbremst. Sie hatte in den Jahren insgesamt nur 2 Teilnehmer die gestürzt sind, und das ist fast einmalig. Sie bemühte sich immer zu erkennen, wo die Ängste oder die Schwierigkeiten eines Motorradfahrers liegen, dafür hatte sie ein Auge. Diese Eigenschaft kommt Ihr auch heute noch in ihrem Berufsleben zu Gute: Erkennen wo es hakt, um dann den Kern zu fassen, um ein gutes Resultat zu erzielen.

Heute ist Margret geschieden, hat einen prächtigen elfjährigen Jungen und führt ein eigenes Planungsbüro, ein Einrichtungsstudio und das ehemalige Bestattungsunternehmen ihrer Eltern. Vor einigen Monaten integrierte sie ein Wohncafe in ihrem Geschäft: Dabei können es sich die Besucher auf ihren eigenen Möbeln gemütlich machen und in aller Ruhe den Kaffee genießen. Jeden Freitag ab 17 Uhr gibt es dazu einen "Biker-Kuchen" und ab 18 Uhr schwingt sie sich dann auf ihr "Moped" und dreht damit ihre Runden. Leider bleibt ihr in den letzten Jahren nur sehr wenig Zeit für ihr geliebtes Zweirad, eine inzwischen betagte Honda 750 VFR. Eine Honda aber auch nur aus dem einen Grund, weil die Kupplung so leicht zu ziehen ist, denn jünger wird die liebe Margret ja auch nicht mehr...
Spaßeshalber oder vielleicht doch ernst sagt sie: "...und mit 60 heirate ich noch mal, nehme mir die Zeit und sause mit dem Partner durch die Gegend! Denn mit 80 möchte ich mich auch noch aufs Bike schwingen, so Gott es will!"
Wenn ihr sie mal besuchen wollt, oben ist ihre Adresse aufgeführt.

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