Die Geschichte der Ducati 750 TT1 und F1 Racing
Quelle: "Die DUCATI Story" von Ian Falloon in abgeänderter Form
Die Gefahr, dass es bald keine TT2-Meisterschaftsklasse mehr geben könnte, beschleunigte die Entwicklung einer 750 cc TT1-Ducati für 1984. Wie früher erwähnt, sollte die Hubraumgrenze für Langstrecken- und TT1-Wettbewerbe auf 750 cc begrenzt werden, und mit der 650 SL Pantah hatte Ducati bereits einen Hub von 61,5 mm homologiert. Schon im März 1982 fuhr Jimmy Adamo eine 750er TT2, die Reno Leoni präpariert hatte, und damit belegte er bei den 200 Meilen von Daytona einen dreizehnten Rang. Dieses Motorrad lieferte fast 95 PS bei 10.250 U/min und lief beinahe 250 km/h. Im Jahr 1983 schaffte Tony Rutter mit einer 750 TT1 einen dritten Platz in der BOTT-Klasse in Daytona. Im Juli 1983 war es wieder Zeit für einen Ducati-Erfolg in Barcelona, als Benjamin Grau, Enrique de Juan und Luis Reyes mit einer TT1 das nicht zu der WM zählende 24-Stunden-Rennen gewannen. Das 135 Kilogramm leichte Motorrad war von Franco Farnè präpariert worden und lieferte 86 PS bei 9.000 U/min. Allerdings beschränkten sich die Fahrer während des Rennens darauf, nicht über 8.000 U/min zu gehen und hatten so maximal 83 bis 84 PS zur Verfügung. Vor 250.000 Zuschauern drehten sie 708 Runden, achtzehn mehr als das zweitplazierte Kawasaki-Team aus Frankreich.
1984 wurde das gleiche Motorrad wie
die 600 TT2, welche Tony Rutter in der Formel 2 bewegte, mit 750 cc auch in der
Formel 1 eingesetzt. Damit wurde Rutter 1984 Dritter in der Gesamtwertung.
Die Ducati 750 konnte auch bei
Langstreckenrennen punkten. In Le Mans (der Lauf zählte in dem Jahr nicht zur
WM) kamen Marc Granie, Philippe Guichon und Didier Vuillemin als vierte unter
den 18 Teams (von 54), die ins Ziel kamen, an. Sie untermauerten diese
Platzierung mit einem vierten Platz beim 1.000 km-Rennen auf dem
Österreichring, einem dritten Rang beim 24-Stunden Rennen in Spa und einen
vierten Platz im 6-Stunden Rennen in Mugello. In der Meisterschaft belegten sie
den fünften Platz. Die Werksmaschine von Walter Villa und Walter Cussigh machte
die ganze Saison über Probleme, kam aber auf den vierten Platz beim ADAC
8-Stunden Rennen auf dem Nürburgring GP-Kurs.
Die TT1 unterschied sich ein wenig von der
TT2. Sie hatte noch die (breitere) Cantilever-Schwinge und eine blaurote
Lackierung anstelle des gelbroten Lackes der TT2. Das Ritzel saß weiter außen,
damit die Kette dem breiten Reifen nicht ins Gehege kam. Das Hinterrad hatte
eine Schnellwechselvorrichtung, die Bremsscheibe samt –zange blieben beim
Radwechsel an der Schwinge. Ein 16 Zoll-Vorderrad war Serie, aber die meisten
fuhren mit 18 Zoll-Vorderrad. Die 35 mm-Marzocchi-Gabel blieb. Mit 88 mm Kolben
und 61,5 mm Hub ergab sich ein Hubraum von 748 cc.
Die Nasskupplung verschwand zugunsten einer
mechanisch betätigten Trockenkupplung in einem NCR-Gehäuse. Mit den gleichen
Ventilgrößen wie die TT2 stieg die Leistung auf 80 PS am Hinterrad.
Die Werksmaschine von Walter Villa
unterschied sich deutlicher von den Kundenversionen der TT1 (1984 wurden etwa 25
Maschinen produziert), im Lenkwinkel von 66 Grad ebenso wie an der Hinterhand:
Dort kam ein progressives System zum Einsatz, das an Suzukis Full
Floater-Vierkantschwinge erinnerte. Und gerade die Federung sorgte für
Probleme, schon im ersten Rennen in Le Mans schied die Werksmaschine aus.
Während der Saison 1984 wurde bei der Werksmaschine eine 41,7 mm Kayaba-Gabel
(von einer Suzuki RG 500) mit hydraulischen Antidive erprobt, aber letztendlich
wählte man die neue 42 mm Marzocchi-Gabel mit Alu-Tauchbeinen. Die Bremsanlage
hatte die neuen, schnell demontierbaren Vierkolben-Zangen von Brembo, mit
größeren 300 mm-Scheiben vorn und einer 230 mm Scheibe hinten. Die
Dreispeichenräder stammten von Marvic, vorn im 16-Zoll-Durchmesser, hinten mit
16, 17 oder 18 Zoll-Durchmesser. Die Felgenbreiten waren selbstverständlich
unterschiedlich, sie reichten vorn bis zu 3,5 Zoll und hinten bis zu 5,5 Zoll.
Ende der Saison wurden regelmäßig ein 16 Zoll-Vorderrad und ein 17
Zoll-Hinterrad verwendet. Bereift mit den neuen Michelin Radialreifen, betrug das vom Werk
angegebenen Trockengewicht 130 Kilogramm.
Motorseitig waren die Unterschiede zur TT2
erheblich. Größere Ventile (44 und 38 mm), ein größerer Ventilhub und
schärfere Steuerzeiten waren seine Merkmale. Stärkere, amerikanische
Carillo-Pleuel saßen auf der polierten, aber sonst serienmäßigen Kurbelwelle;
verdichtet wurde mit 10,3:1 . Einmal während der Saison gab es Probleme mit den
Kolben, öfters dagegen machten die Ventilsitze Ärger. Der Zweizylinder leistete
94 PS bei 10.000 U/min, bei 24 Stunden-Rennen entwickelte er lediglich 90 PS.
Die 41-mm-Vergaser stammten von Dell’Orto-Malossi. Die Bosch-Zündung und –Lichtmaschine
befanden sich jetzt auf der linken Seite unter einem Magnesium-Deckel außerhalb
des Ölsumpfs. Eine mechanisch betätigte Trockenkupplung ersetzte die frühere
hydraulische.
Damit hatten sich die Werks-TT1 im Hinblick auf die Technik von den TT2 doch ganz erheblich entfernt und standen bereit
für eine neue Attacke auf die Langstrecken-WM und die italienische F1 für das
folgende Jahr.
1985 war dann ein schwarzes Jahr für
Tony Rutter, denn ein schwerer Unfall beim F1-Rennen in Montjuich beendete seine
Karriere.
Trotz der ganzen Entwicklungsarbeit an der
TT1, die in erster Linie von Fabio Taglioni, Franco Farnè und Walter Villa
geleistet wurde, war die Langstreckensaison 1985 noch weniger vom Erfolg
gekrönt als im Vorjahr. Die einzigen guten Resultate waren ein fünfter und ein
sechster Platz beim ersten Lauf in Monza mit Walter Cussigh/Oscar la Ferla und
Virginio Ferrari/Marco Lucchinelli. In der Formel-1 wurde Dieter Rechtenbach
Gesamtsechster, nach einem zweiten Platz in Montjuich Park, seit jeher Ducatis
Erfolgsstrecke. Ein weiteres Highlight in der TT1-Geschichte war Marco
Lucchinellis sechster Platz in Daytonas F1-Rennen im März. In der italienischen
Formel-1-Meisterschaft sah es anders aus. Hier belegte Ducati die ersten sieben
Plätze, Meister wurde Virginio Ferrari vor Marco Lucchinelli.
Das Jahr 1986 fing gut an, als Marco
Lucchinelli das BOTT-Rennen in Daytona mit der Versuchs-851 (92 x 64 mm) gewann.
Sein Schnitt lag knapp über 167 km/h. Lucchinelli siegte später auch in der
BOTT-Klasse in Laguna Seca, ebenso wie beim Eröffnungsrennen der TT F1-WM im
Autodromo Santa Monica von Misano. Sein Schnitt an jenem 6. April lag bei 145,06
km/h. Leider konnte er diesen Erfolg in keinem der restlichen Rennen
wiederholen. In der Meisterschaft war schließlich der sechstplazierte Graeme
McGregor mit einer privaten TT1 bester Ducati-Mann.
Im 8-Stunden Rennen von Jerez am 28.
September teilten Juan Garriga und Marco Lucchinelli sich eine Vierventil-750
TT1. Sie hatten Pole, führten auch in der Anfangsphase und wurden schließlich
Zweite. Später, beim Barcelona 24-Stunden-Rennen am 26. Oktober (nicht zur WM
zählend), konnte das Trio Juan Garriga, Carlos Cardus und der zuverlässige
Benjamin Grau mit der 851 cc-Version der TT1 gewinnen und bewiesen so die
Zuverlässigkeit des größeren Motors. Ebenfalls 1986 wurde mit einer 818er
Ausführung (92 x 61,5 mm) experimentiert. Mit dem Motor ging Jimmy Adamo im
BOTT-Rennen in Daytona an den Start.
Die letzte Show für den luftgekühlten
Renner war das Pro Twins-Rennen in Laguna Seca 1987 unter Marco
Lucchinelli. Der an Einlasskanälen und Kühlluftführung modifizierte Motor
saß in einem serienmäßigen TT1-Chassis, die White Power-Gabel war neu, ebenso
das superleichte GSG Roma-Federbein. Die 17-Zoll-Räder stammten von Marvic.
Neben den Werksmaschinen waren auch die
TT1-Replikas immer für Erfolge gut. In Spanien entwarf Antonio Cobas einen
Rahmen für die F1, die Kreation wurde 1985 in Misano von Kenny Roberts
getestet. Juan Garriga fuhr das gleiche Motorrad im WM-Lauf in Montjuich Park
(im gleichen Rennen, wo Tony Rutter sich verletzte). Auch er stürzte und schied
aus. In Australien erzielte 1984/85 der spätere GP-Fahrer Kevin Magee mit einer
750 TT1 (Tuner: Bob Brown) einige hervorragende Ergebnisse, gegen eine Armada
von Hondas und Kawasakis mit 1000 cc Hubraum. Später wurde der Motor auf 850 cc
vergrößert und von Robert Holden und Aaron Slight mit sehr viel Erfolg in der
immer wichtiger werdenden Superbike-Klasse gefahren. Bei BOTT-Rennen auf der
ganzen Welt übernahmen TT1-Replikas die frühere Rolle der größeren
Zweizylinder, als direkter Konkurrent der japanischen Mehrzylinder taugte die
TT1 aber kaum mehr: Das Potential der Zweiventil-Zylinderköpfe war ausgereizt.
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