Die Geschichte der Ducati 600 TT2

Quelle: "Die DUCATI Story" von Ian Falloon in abgeänderter Form

Da die 900 NCR mit Königswellen-Motor als Rennmaschine wenig erfolgreich war, schlüpfte die Pantah mit ihrem Zahnriemen-Motor in deren Rolle: In der Saison 1980 sah man erstmals zwei 600 cc Renn-Pantahs, die Franco Farnè präpariert hatte. Sie agierten in der italienischen Junioren-Meisterschaft (TT2-Klasse für Zweitakter von 251 bis 350 cc und Viertakter von 401 bis 600 cc) sehr erfolgreich, im Sattel saßen Wanes Francini, Paolo Menchini und Guido Del Piano.

Die Rennmaschinen (insgesamt vier Stück) basierten auf dem Rahmen der Serien-SL, verfeinert durch Komponenten aus dem Marocchi-Rennsortiment. Die rot-gelb lackierte Maschine ähnelte der 900 NCR, die Leistung der 583 cc großen Motoren betrug 70 PS bei 9.800 U/min. Für die Saison 1981 zog dann Fabio Taglioni sein Trumpf-As: Die TT2, genau fünf Werksrennmotorräder entstanden in der Ducati-Rennabteilung.
Den Winter über hatte der Spanier Angel Nieto – 14-facher 50er/125er-Weltmeister – die Maschine getestet, unterstützt durch den Langstreckenfahrer Salvador Canellas. Die Konstruktion war so gut, dass die Maschine ihr Debutrennen am 29. März 1981 in Misano gewann, den ersten Lauf zur italienischen TT2-Meisterschaft, gefahren von Sauro Pazzaglia. Als die TT2 gerade ihre ersten Gehversuche auf italienischen Strecken absolvierte, kam Tony Rutters modifizierte 500er SL-Pantah bereits auf ganz passable Rundenzeiten. Gebaut für die Isle of Man im Juni 1981, war sie in der Werkstatt von Steve Wynne von Sports Motorcycles aufgebaut worden. Eigentlich hatte ihm Ducati zwei Werksmaschinen versprochen, die aber nie auftauchten. Stattdessen griff Wynne auf ein abgeschriebenes Unfallmotorrad zurück, dessen Rahmen von Ron Willians (Firma Maxton) gerichtet und verstärkt wurde. Renn-Veteran Tony Rutter gewann mit der Rekordgeschwindigkeit von 164 km/h und fuhr seine schnellste Runde mit 166,58 km/h. Ducati war mit dem Ergebnis so zufrieden, dass Rutter für die zweite Runde in Ulster am 22. August 1981 eine Werksmaschine erhielt. Bei furchtbarem Wetter sicherte sich Rutter den zweiten Platz und wurde somit 1981 Weltmeister in der Formel 2.
Die TT2 markierte Ducatis Comeback auf den Rennstrecken, nachdem sich das Werk seit 1975 nicht mehr offiziell engagiert hatte. Bei 81 mm Bohrung erhöhte sich der Hubraum auf 597 cc und lag damit fast am Hubraumlimit. Taglioni zeichnete einen ganz neuen Rahmen, der dann bei Verlicchi in Bologna gebaut wurde. Der aus Chrommolybdän-Stahl bestehende Rahmen wog nur 7 Kilogramm und hatte ein Zentralfederbein von Paioli. Der Rahmen aus geraden Rundrohren war sehr kompakt und stabil, mit zahlreichen Verstärkungen rund um den Lenkkopf. Der Motor war am Rahmen an vier Punkten befestigt und diente als tragendes Element. Der 18 Liter große Kunststofftank war zum größten Teil vom Rahmengeflecht umschlossen.
Mit ihrer Marzocchi-Gabel (35 mm Tauchrohre aus Magnesium) und 280 mm Brembo-Vorderradbremsscheiben brachte es die Rennmaschine auf 122 Kilogramm. Dank des Radstandes von nur 1395 mm geriet sie außerdem sehr kompakt. Die 18 Zoll-Räder von Campagnolo waren vorn 2.15 Zoll und hinten 3.00 Zoll breit.
Im Motor herrschte purer Rennbetrieb. Die 81 mm Borgo-Kolben verdichteten mit moderaten 10:1 ; die Ventile aber waren mit 41 mm Einlass und 35 mm Auslass größer. Ihre Betätigung erfolgte desmodromisch, der Ventilhub auf der Einlassseite betrug zwölf, der auf der Auslasseite zehn Millimeter. Das italienische Rennreglement erlaubte den Einsatz von 40 mm Dell’Orto, für die WM-Läufe mussten aber die serienmäßigen 36er verwendet werden. Die Spitzenleistung wurde mit 76 PS bei 10.750 U/min angegeben.
Überall am Motorrad zeigte sich das Bemühen um eine Gewichtsreduzierung, wie offenlaufende Antriebsriemen zu den Nockenwellen, Primärtriebdeckel aus Magnesium und die hydraulische betätigte Kupplung. Der zwei-in-eins Auspuff war ebenfalls ultraleicht. Im Inneren waren alle Zahnräder ausgebohrt. Die Zündung stammte von Bosch, die kleine Batterie saß im Höcker. Und weil die italienischen Regeln einen Anlasser vorschrieben, war dieser auch an der Rennmaschine vorhanden, ebenso die 200 Watt-Lichtmaschine.
Die TT2 war eine sehr gute Rennmaschine nach bester Art des Hauses. Fabio Taglionis Schöpfung entpuppte sich als perfekte Kombination aus Motorleistung und Gewicht. Sie war leicht, agil und verfügte über ein breites Leistungsregister und Fabio Taglioni war auf die spezifischen Verbrauchszahlen besonders stolz: 187 Gramm/PS/Stunde, weniger als ein Diesel!
Wie gelungen sie war, demonstrierte Massimo Broccoli im Oktober 1981 im letzten Lauf zur italienischen Halbliter-Meisterschaft in Mugello. Auf einer TT2, auf 500 cc heruntergebuchst, beendete er das Rennen auf dem siebten Platz in einem Starterfeld, das die Zweitakter von Yamaha und Suzuki dominierten – mehr als ein Achtungserfolg, zumal Broccoli als italienischer TT2-Meister vor der Kawasaki-motorisierten Bimota KB2 bereits feststand. Schon in ihrer ersten vollen Saison hatte die Ducati TT2 die beiden Rennserien gewonnen, für die man sie gebaut hatte.

Die TT2 war 1982 noch erfolgreicher. In der italienischen TT2-Serie gewann Walter Cussigh mit seiner Werksmaschine jeden Lauf und der mittlerweile 40 Jahre alte Tony Rutter wurde wieder TT2-Weltmeister. Für die italienischen Rennen betrug die Motorleistung 78 PS bei 10.500 U/min mit 41 mm-Dell’Orto Vergasern. Cussigh bevorzugte ein Campagnolo 16 Zoll-Vorderrad mit einem Michelin 3.25-4.50 Reifen. Rutter fuhr noch ein 18 Zoll-Vorderrad, das er auf holprigen Straßenkursen für die bessere Alternative hielt. Auf der Isle of Man fuhr er bedeutend schneller als im Vorjahr und siegte im Formel 2-Rennen mit einem Schnitt von 174,61 km/h. Seine schnellste Runde absolvierte er mit 175,85 km/h. In der Radarfalle bei der Verandah wurde er mit 232 km/h gemessen. Mittlerweile wurde die Weltmeisterschaft über drei Rennen ausgetragen und Rutter entschied den Titel für sich – mit maximalen Punktezahlen. Vila Real in Portugal gewann er mit 139,51 km/h und das letzte Rennen in Ulster mit 162,1 km/h. In diesem Jahr wurde der Titel des Vizeweltmeisters von Rainer Nagel geholt.
Für 1982 wurde eine kleine Serie Renn-TT2 für Privatfahrer gebaut. Sie ähnelten den Werksmaschinen sehr, hatten jedoch nicht den Magnesium-Kupplungsdeckel oder die hydraulisch betätigte Trockenkupplung. Serienmäßig dagegen waren die Marzocchi-Renngabel aus Magnesium und die Campagnolo 18 Zoll-Räder. Ventilgrößen und Steuerzeiten entsprachen wiederum den Werksrennern: Der Einlass öffnete 74 Grad vor dem oberen Totpunkt und schloss 92 Grad nach dem unteren. Der Auslass öffnete 100 Grad vor dem unteren Totpunkt und schloss 64 Grad nach dem oberen. Bestückt mit den 36 mm-Vergasern, lieferte der Motor 76 PS bei 10.750 U/min. Unterschiede gab es im Primärantrieb, die Rennmaschine war länger übersetzt (36/70, das ergab 1,94:1). Die Endübersetzung war kürzer, 3,15:1 . Wie die Werksmaschine hatte auch die Kundenversion einen Ölkühler in der Verkleidung. Mit dem elektrischen Anlasser wog das Motorrad ganze 130 Kilogramm. Das hintere Federbein kam 1982 nicht mehr von Paioli, sondern Marzocchi, ein PVS 1 mit getrennter Gaskammer. In dem Jahr entstanden etwa 20 Rennreplikas. Insgesamt wurden 1982 etwa 25 Exemplare der TT2 von Ducati gebaut.

Die Rennresultate von 1983 waren nicht so glorreich wie im Vorjahr. Tony Rutter gewann wieder die Formel 2-Weltmeisterschaft, aber nicht so überlegen wie früher. Auf der Isle of Man erreichte er allerdings einen Doppelsieg, vor seinem Markenkollegen Graeme McGregor. Der Renndurchschnitt betrug 174,13 km/h, und die schnellste Runde fuhr Rutter mit 176,12 km/h. Bei den zwei übrigen Rennen in Ulster und Assen belegte er jeweils den zweiten Platz, was allerdings für den WM-Titel reichte. 1983 wurde eine zweite TT2-Serie aufgelegt. Diese war praktisch identisch mit den Vorjahresmodellen, jedoch mit einem Campagnolo 3.50-16 Vorderrad. Die Vergaseranlage – Dell’Orto 41 mm – war von Malossi modifiziert worden, ihr ist es wohl zuzuschreiben, dass die Leistung jetzt mit 78 PS bei 10.500 U/min angegeben wurde. 1983 wurden wie im Jahr zuvor etwa 25 Werks-TT2 produziert.
Im Jahr 1984 saß Tony Rutter immer noch im Sattel einer 600 TT2 und wurde in der Formel 2 zum vierten Mal in Folge Weltmeister. Auf der Isle of Man konnte Rutter das F2-Rennen zwar nicht gewinnen (er wurde zweiter), doch in Vila Real siegte er mit einem Schnitt von 146,14 km/h. Trevor Nation, ebenfalls mit einer 600 TT2, belegte den zweiten Platz in der Meisterschaft.
1985
war das letzte Jahr für die TT2. Tony Rutter fuhr eine Werks-TT1 mit progressiver Hinterradfederung und dem 600 cc-Motor und konnte wieder das F2-Rennen auf der Isle of Man gewinnen, jedoch etwas langsamer als in den Jahren zuvor; der Schnitt betrug 173,47 km/h. In Vila Real war er Zweiter und im Montjuich Park Dritter. Ein schwerer Unfall beim F1-Rennen in Montjuich beendete frühzeitig seine Karriere und er hatte Glück, dass er mit dem Leben davon kam, da die Ärzte nach dem Unfall ihn zuerst für tot erklärt hatten. Obwohl er die Saison nicht zu Ende fuhr, wurde er in dem Jahr F2-Vizeweltmeister. Seine Rekordzahl von vier WM-Titeln in der Tourist Trophy Formel 2 gehören zu den wichtigsten Ergebnissen in der Ducati-Rennbilanz.

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